Anlässlich des 75. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ergreifen wir die Gelegenheit, um die Bedeutung dieses historischen Dokuments hervorzuheben. Die Erklärung dient als Bezugspunkt für die Grundrechte und -freiheiten und ermöglicht es, sowohl Verbesserungen als auch Rückschritte zu messen. Sie bietet auch eine Grundlage, auf die neue Menschenrechtsstandards aufgebaut werden können. Wir freuen uns über die Fortschritte, die in Bezug auf die zentrale Bedeutung der Menschenrechte als globales Gesprächsthema, das wachsende Bewusstsein für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter sowie die Entwicklung neuer Rechtsgrundsätze wie der universellen Gerichtsbarkeit zur Bekämpfung der Straflosigkeit erzielt wurden. Diese Errungenschaften werden jedoch von Rückschritten an vielen Orten der Welt überschattet.
In Kriegsgebieten kommt es nach wie vor häufig zu extremen Menschenrechtsverletzungen. Zusätzlich zu den Ländern, die in den letzten Jahren von internen Konflikten geprägt waren, war die Ukraine in diesem Jahr Schauplatz eines unprovozierten Angriffs und schrecklicher Kriegsverbrechen. Der zunehmende Autoritarismus bedroht die Pressefreiheit und untergräbt die Rechtsstaatlichkeit in demokratischen Ländern, und etablierte Ein-Mann-Regime unterdrücken weiterhin die Grundrechte. Die Türkei bleibt ein bedauerlicher blinder Fleck in der weltweiten Entwicklung der Menschenrechte, da die Ein-Mann-Herrschaft im Land ihre Kontrolle über die Zivilgesellschaft immer weiter verschärft, indem sie friedliche Proteste brutal unterdrückt und Kommentare in den sozialen Medien zunehmend zensiert und kriminalisiert.
Die Regierung übt weiterhin politische Kontrolle über die Justiz aus, die ihrerseits die vage Anti-Terror-Gesetzgebung des Landes als Waffe gegen autoritär-abweichende Gruppen einsetzt, vor allem gegen die religiöse Gülen-Bewegung und pro-kurdische politische Netzwerke. Die systematische Inhaftierung von tausenden von Menschen allein aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Zugehörigkeit zu diesen Gruppen, die laut einer im Oktober 2020 veröffentlichten UN-Stellungnahme als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewertet werden können, wird im vollen Umfang aufrechterhalten. Aus dem ganzen Land erreichen uns immer wieder Berichte über die Misshandlung politischer Gefangener in Polizeigewahrsam und in Gefängnissen.
Im Rahmen ihrer Kampagne zur Einschüchterung von Menschenrechtsverteidiger*innen verhafteten die türkischen Behörden im Oktober 2022 die prominente Menschenrechtsverteidigerin Şebnem Korur Fincancı, die nun absurderweise der Verbreitung terroristischer Propaganda beschuldigt wird. Sie hatte öffentlich eine Untersuchung der Behauptungen über den Einsatz chemischer Waffen durch das türkische Militär im Nordirak gefordert.
Selbst in Europa lebende Oppositionelle sind vor dieser Unterdrückung nicht völlig gefeit. Eine prominente, regierungsnahe türkische Tageszeitung veröffentlichte kürzlich die Wohnadressen mehrerer im Exil lebender Journalist*innen in Deutschland und Schweden und setzte sie damit der Gefahr aus, körperlich verletzt zu werden.
Der türkische Präsident hat ausdrücklich die Auslieferung des regimekritischen Journalisten Bülent Keneş als Vorbedingung für die Freigabe der schwedischen NATO-Mitgliedschaft gefordert. Dieser eklatante Missbrauch scheint auf ein nachsichtiges Schweigen seitens der NATO zu stoßen, eines Bündnisses, das angeblich auf demokratischen Werten aufbaut. Die Vereinten Nationen haben den diesjährigen Tag der Menschenrechte unter das Motto „Würde, Freiheit und Gerechtigkeit für alle“ gestellt – in der heutigen Türkei bedauerlicherweise bei weitem nicht der Fall. Wir, die Peaceful Actions Platform, bekräftigen unsere feste Entschlossenheit, für die Menschenrechte einzutreten.